Als ich mich für ein Stipendium bewarb, hätte ich auch die UdSSR, Bulgarien oder Vietnam angeben können, aber ich entschied mich für Deutschland.
Aus kambodschanischer Sicht wirkt es absurd, dass die frühen 1970er Jahre als Phase weltpolitischer Entspannung gelten. Kambodscha wird vom US-amerikanischen Vietnamkrieg, einem Staatsstreich und dem darauffolgenden Bürgerkrieg erschüttert. Ab 1975 versinkt das Land in einer grausamen Gewaltherrschaft der kommunistisch-nationalistisch geprägten Roten Khmer. Die DDR-Staatsführung bejubelt deren Machteroberung als „Sieg der Patrioten“ und glaubt an ein neues sozialistisches „Bruderland“.
From a Cambodian perspective, it seems absurd that the early 1970s were seen as a period of calm in global politics. Cambodia was profoundly shaken by the Vietnam War, a coup and the civil war that followed. In 1975, the country descended into the brutal tyranny of the communist-nationalist Khmer Rouge. The East German government hailed the Khmer Rouge’s takeover as a “victory of the patriots” and hoped for a new socialist “brother country.”
Als ich mich für ein Stipendium bewarb, hätte ich auch die UdSSR, Bulgarien oder Vietnam angeben können, aber ich entschied mich für Deutschland.
Ich habe nie damit gerechnet, diese Hölle zu überleben.
Es gibt zwei Sorten von Leuten, die verurteilt werden müssen: Befehlshaber und Täter. Ich möchte nicht, dass die Leute genau so schlimm behandelt werden, wie ich behandelt worden bin, aber ich will, dass es Gerechtigkeit für die Opfer gibt. Auch die Befehlsempfänger, die die Mordtaten verübt haben, müssen vor Gericht.
Während Krieg und Terror in Kambodscha herrschten, haben wir in Erfurt-Nord in der Leninstraße in einem ehemaligen Lagerraum gehaust. Wir haben uns regelrecht versteckt, denn inzwischen gab es kaum noch kambodschanische Studenten in der DDR.
Der Prorektor der Musikhochschule verlangte, dass ich mich zum neuen Bruderland Kampuchea bekenne. Ich sagte: ‚Ich weiß doch gar nicht, wer diese Roten Khmer sind und was sie vorhaben.‘
Ich wusste nicht, was mit meiner Familie los war. Ich fühlte mich oft verloren in der DDR, so wie Beckmann in Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür.
Jeden Tag holten sie Häftlinge zum Verhör ab. Diesen Gefangenen legten sie Handschellen und Augenbinden an. Manchmal kehrten einige mit blutenden Wunden oder blutverschmiertem Körper zurück, andere verschwanden.
Manchmal kollidierten unsere cineastischen Ideen mit den politischen Absichten Honeckers. Die Weltsymbole Hammer und Sichel im Zusammenhang mit den Angkar zu zeigen, war nicht erwünscht – haben wir aber gemacht.
Nachts, wenn eine Heuschrecke vom elektrischen Licht herunterfiel, rauften wir um sie und steckten sie in den Mund, als wäre sie eine Delikatesse.
Ich fragte mich, wie Pol Pot so freundlich aussehen und doch so brutal die Leute behandeln konnte, indem er Khmer des gleichen Blutes folterte und tötete, ohne jegliche Reue zu verspüren.
Ich beschloss, dass ich, falls ich überleben würde, […] alles zusammentragen würde, um zu erhellen, was passiert ist, so dass die jüngere Generation darüber Bescheid wüsste.
Wir flogen von Berlin über Peking nach Hanoi und weiter nach Ho-Chi-Minh-Stadt. Als Lektüre im Flugzeug bekamen wir eine Mao-Bibel in englischer Sprache.
Die Roten Khmer jagten das korrupte und reaktionäre Lon Nol-Regime davon, brachten aber den Kommunismus in Misskredit.
Unsere Vietnam-Filme waren die Eintrittskarte nach Kambodscha.
Alles ging schnell, schnell, schnell – überall sah ich die schwarzen Uniformen der Khmer Rouge.
Ich dachte als Student, dass ich bald heimkehren würde, um in Kambodscha zu musizieren. Aber plötzlich musste Sihanouk ins Exil, und meine Verbindung nach Hause riss ab.
Bei uns an der Uni gab‘s keine Protestkultur wie im Westen, wo Studenten gegen den Vietnamkrieg demonstrierten. Aber ich ging zu Solidaritätskonzerten für das kommunistische Nordvietnam, das uns als Bruderland galt.